Milchreis ade

 

Es geschah an einem Freitag und dieser war einer jener Urlaubstage, den sich der Mensch nach besonders viel Stress einfach ab und zu gönnt, um sich einmal so richtig zu erholen.

Als nun der Vormittag vorbeiging und die Mittagszeit nahte, überkam Frau Hein ein mächtiger Hunger auf Milchreis. Derartiges gönnte sie sich nicht oft, da Ihre Familie immer Braten mit Knödel bevorzugte, aber heute war sie allein und so konnte sie kochen nach was ihr der Sinn stand.

Gedacht - getan. In der Küche vor dem Herd, beobachtete sie eine viertel Stunde später vergnügt das Quellen der Reiskörner im Topf. Auch breitete sich bereits ein himmlischer Duft im Haus aus, während das Essen langsam fertig wurde.

Normalerweise waren jetzt schon mindestens drei von Frau Hein's Katzentieren zur Stelle und maunzten kläglich, um Futter zu erbetteln. Heute jedoch herrschte auch in dieser Hinsicht herrliche Ruhe. Es verging eine eine Zeit voll Gleichmut und Beschaulichkeit, in der die Frau langsam und ohne Hast den hölzernen Kochlöffel in dem hohen Topf im Kreis bewegte. Ein süsser, leckerer Duft nach Zimt und Milch verbreitete sich im Raum.

Ein paar Minuten später war es nun soweit. Der Milchreis konnte in einen Teller gegossen werden und würde dann mit dem angerichteten Zimt und Zucker zusammen ein köstliches Mal ergeben. Frau Hein, die schon seit Monaten kein solches Gericht mehr gegessen hatte, lief das Wasser im Mund zusammen. Gerade eben nahm sie erwartungsvoll den Kochtopf vom Herd und wollte sich mit diesem zum Küchentisch begeben, als - oh Fluch einer sonst segensreichen Technik - das Telefon klingelte.

Wir können uns nun über das Für und Wider eines solchen Apparates Gedanken machen. Tatsache ist aber doch, dass so ein "Kasten" mächtig nervt, wenn man seine Ruhe haben will. Noch dazu wenn er einfach nicht aufhört zu klingeln.

Also stellte Frau Hein mit sehr großem Bedauern den Milchreis samt Topf auf die erkaltende Herdplatte zurück, ging mit einer Leidensmiene auf dem Gesicht in den Hausflur zum Telefon. Dort nahm sie den Hörer ab und sagte betont freundlich :"Ja." in die Muschel.

"Ach Elfriede, gut dass ich dich antreffe...", ertönte es am anderen Ende der Leitung. Frau Hein erstarrte und der Traum vom beschaulichen Tag zerschmolz wie die Butter vorhin im Topf.

Ach Gott, es ist Birgit, dachte sie gehetzt, wobei sie schon in der nächsten Sekunde - kaum dass sie diesen Gedanken gefasst hatte - krampfhaft überlegte wie sie die Anruferin wieder los werden könnte. Birgit gab sich nie mit einem 10 Minuten Gespräch zufrieden. Ihr Hobby war das stundenlange Telefonieren...

Einsilbig beantwortete Frau Hein die Fragen ihrer Freundin und musste nervös zusehen, wie Kater "Dickerle" an ihr vorbei in die Küche lief.

Langsam, ohne eine hastige Bewegung tat er das. Schließlich "hing Frauchen ja wieder an der Leine" und wenn das der Fall war konnte er machen was er wollte. Das wusste er genau.

Dickerle kannte Leinen. Zwei Mal in der Woche musste er sich in ein Geschirr zwängen, um sich dann durch den Garten führen und von den anderen Katern hänseln zu lassen. Frauchen sah die anderen Kater nicht, die dann meist unter der Hecke die den Garten abgrenzte, belustigt hindurch spähten. Dickerles Augen verengten sich und sprühten in jenem Moment jedoch Funken. Man sah förmlich wie er im Geiste die Felle der respektlosen Widersacher mit den Krallen striegelte.

Als nun Frau Hein eine viertel Stunde nach des Katers Alleingang in die Küche stürzte, sah diese in dem Halbdunkel des Raumes zuerst nichts. Das heißt nichts Verdächtiges. Die Küchenschränke waren mit einem lustigen, schwarzweißen Fleckmuster überzogen, wie immer. Der Herd war weiß mit dunklen Kochfeldern darauf.Aber etwas stimmte nicht. Frau Hein wusste nur nicht sogleich um was es sich handelte.

Ihre Blicke konzentrierten sich auf den Herd, der schemenhaft in dem, wegen grosser Sommerhitze, abgedunkelten Küchenraum zu sehen war. Auf ihm stand der schwarze Topf wie erwartet und über diesem waren grüne Augen zu erkennen.

Augen !  Erschrocken schnappte die Frau nach Luft und sah genauer hin. Tatsächlich, saß dort - durch sein schwarzweisses Fell gut getarnt - Kater "Dickerle". Da dessen Schnauze in dem Milchreistopf verweilte, war nur sein schwarzer Kopf mit dem weißen Mittelscheitel zu sehen, während die grünen Augen unverwandt auf sein Frauchen starrten.

"Dickerle !", kreischte Frau Hein, einer Ohnmacht nahe.

"Keck,keck,keck", schnatterte dieser frech und setzte sich augenblicklich in Bewegung. Bevor die Frau reagieren konnte war der Schecke verschwunden. Mit ihm jedoch auch die Hälfte des Essens. Der Rest im Topf war natürlich auch nicht mehr zu gebrauchen. Missmutig füllte Frau Hein diesen auf einen Teller und stellte ihn verstimmt in den Kühlschrank.

"Soll der Dicke das später essen und dann als Strafe Gartenrunden mit mir drehen," dachte sie und vergaß es dann schließlich, als sie beim Fernsehen einschlief.

Als Frau Hein am nächsten Morgen in die Küche ging war der Milchreisrest verschwunden. Dafür hing ein Zettel am Kühlschrank, den ihr Sohn geschrieben hatte, auf dem stand: "Danke für den herrlichen Milchreis, Mutti. Aber warum hast du ihn denn nicht im Topf gelassen ? 

Gruß Meinereiner."

 

© Andrea Wunderlich